Voy:ag:eurs

Texte: Georges Bataille, Colette "Laure" Peignot u.a. - Regie Schauspiel: Zeha Schröder - Regie Medieninstallation: Max Schumacher - Videokunst: Hiroko Tanahashi - Musik: Daniel Ableev - Raumkonzept: Jasper Diekamp - Mit: Rima Herab, Marcell Kaiser - Eine Koproduktion von F+G (Münster) und post theater (Berlin/Tokio/Stuttgart) - Ort: ??? (Abfahrt ab Münster Hbf.) - Dauer: ca. 70 Minuten (inkl. Bahnfahrt 105 Minuten) - Uraufführung: 12.10.2011
Ein freies Theater macht ein Stück über Georges Bataille und dessen schicksalhafte Begegnung mit dem Vulkan Ätna. Dazu fahren die Theatermacher zum besagten Berg. Ein anderes freies Theater macht ein Stück darüber....

F+G haben Erfahrung mit Recherchen, die an extreme Orte führen. post theater interessiert sich für die Ressource Theater – in diesem Falle die Arbeit der Münsteraner. Beide Teams teilen die Leidenschaft für ortsbezogene Arbeiten und wahre Geschichten. "Voy:ag:eurs" verbindet zwei dokumentarische Ebenen miteinander – zu einem Stück über den Einfluss von extremen Orten auf extreme Menschen.

Ebene 1: 1937 besteigt der Dichter Georges Bataille mit seiner Geliebten Colette "Laure" Peignot die Hänge des Ätna: "Den Ätna zu erklimmen war ungeheuer wichtig für uns... Wir wurden überwältigt von einer Einsamkeit, die fremdartig und kataklysmisch war ... wir beugten uns über die klaffende Wunde am Grabenbruch jenes Sterns, auf dem wir atmeten..." Die Beziehung Laure/Bataille ist eine radikale Romanze: geprägt von bedingungsloser Liebe und intellektueller Brillanz, von emotionaler Haltlosigkeit und sexueller Enthemmung. Beide waren sich einig, dass diese Liebe in der Nacht am Ätna ihren reinsten, furchterregendsten Ausdruck fand. Ausgehend von jener Nacht soll "Voy:ag:eurs" in Briefen, Tagebüchern und Auszügen aus dem literarischen Werk eine Liebe am Rande des Wahnsinns nachzeichnen: Wie kann man sich diesen beiden faszinierenden, verstörenden Persönlichkeiten annähern?

Ebene 2: 2011 besteigen F+G auf den Spuren des Dichterpaares den Ätna. Sie werden dabei vom post theater gefilmt und studiert. post theater sind „embedded artists“ wie die Journalisten beim zweiten Golfkrieg - die kritische Distanz löst sich aufgrund der Nähe zu den Beobachteten und der gemeinsamen Erlebnisse auf. post theater sind keine Anthropologen und folgen keinem wissenschaftlichen Anspruch. Sie sind Künstler, die durch den Blick auf die Kollegen auch die eigene Praxis und das eigene Metier reflektieren wollen. Aber post theater beabsichtigt keine konkrete Aussage über F+G, so wie F+G kein Urteil über Bataille/Peignot anstrebt – der Prozess ist ergebnisoffen.

Gesetzt ist die Faszination des Motives Vulkan. Allen ist klar, dass diese energiegeladene, gefährliche Naturschönheit mythenbeladen ist. Beide Ensembles sind vom Bild des Licht, Feuer, Rauch und Lava spuckenden Berges sehr angetan – als "Performer" ist er gewissermaßen ein Kollege. Kein Wunder, dass im Barock künstliche Vulkane für sommerliche Spektakel in friedlicher Natur gebaut wurden. Auch wir bauen einen Modell-Ätna, der wie seine barocken Vorgänger als Mitspieler agiert. Das Modell ist Mischung aus Lavawüste und Modelleisenbahnlandschaft. Der Bühnenätna kann einiges: Rauch, Licht, Klang – und Videoprojektionen auf eine Deckenprojektionsfläche.

Der Berg ruft. Er lebt und agiert, inszeniert von post theater. Menschen agieren auf und mit ihm, inszeniert von F+G. Ein vulkanischer Abend über Menschen, Orte - und ihre geheime Verbindung...