Text: Zeha Schröder - Regie: Frank Dukowski - Kostüm + Requisite: Stella Bittmann Mit: Pitt Hartmann und Komi Togbonou - Filme: Zeha Schröder - Ton: LauterStudio.de Ort: Geol.-Pal. Museum, Pferdegasse 3, Münster - Dauer: ca. 60 Min. - Uraufführung: 29.10.2003
Am 6. April 1909 erreicht Robert E. Peary als erster Mensch den Nordpol - so steht es in den Geschichtsbüchern. Aber falsch ist es trotzdem. Denn der erste Mensch am Nordpol war Matthew A. Henson.
Peary war ein schwächelnder Mittfünfziger, der sich seit der Winterexpedition 1906, bei der ihm neun Zehen erforen und abgefallen waren, mit einem unbeholfenen Watschelgang fortbewegte. Er legte den Weg zum Nordpol im Hundeschlitten sitzend zurück, auf einer Route, die zuvor sein Assistent und Navigator Matt Henson - begleitet von vier Inuit und mit einem Vorsprung von bis zu einem Tag - berechnet, ausgekundschaftet und bereits gespurt hatte. Henson war Pearys Dolmetscher, da er die Sprache der Inuit fließend beherrschte; er war - in Pearys eigenen Worten - "a better dog driver and can handle a sledge better than any man living, except some of the best Esquimo hunters themselves"; und er erreichte, gemeinsam mit seinen einheimischen Begleitern, den Pol eine knappe Stunde vor seinem Expeditionsleiter.
Während Peary jedoch weltberühmt wurde, geriet Henson schnell in Vergessenheit - vor allem aufgrund der Tatsache, dass er ein Schwarzer war. Das war einmal anders. Der "Neger am Nordpol" wurde in den Jahren vor dem 1. Weltkrieg eine kleine Berühmtheit. Zunächst aufgrund der empört-rassistischen Kontroverse, die sich nach Pearys Rückkehr an der Hautfarbe seines engsten Mitarbeiters entzündete. Dann aber auch durch einen Umstand, der sich anfänglich ganz banal entwickelte: Anders als Peary, der in aller Ruhe die Publikation seiner Aufzeichnungen vorbereitete, befand sich Henson nach der Heimkehr in akuter Geldnot. Sein Vertrag und somit seine Bezahlung beschränkte sich auf den reinen Expeditionszeitraum, wenngleich er viel zu ausgelaugt und erschöpft war, um sich sofort einen neuen Job zu suchen. In dieser prekären Situation erhielt der „schwarze Entdecker" ein Angebot von einem New Yorker Theatermanager, der ihm vorschlug, für ihn eine Amerikatournee zu organisieren, eine Vortragsreise, die es ihm ermöglichte, selber zu reden, anstatt nur über sich reden zu lassen - und darüberhinaus seinen Lebensunterhalt zu verdienen.
Diese Vortragstournee war der Anknüpfungspunkt für Zeha Schröders Text und Frank Dukowskis Inszenierung und entführte die Protagonisten und ihr Publikum in einer Erinnerungsreise zurück ins ewige Eis. Untermalt mit historisierenden Filmaufnahmen schilderten Komi Togbonou (Henson) und Pitt Hartmann (Peary) den Weg zum Pol und reihten die Inszenierung in die Serie unserer großen „Wildnis-Stücke" wie „
ausgesetzt.", „
gamajávri" oder „
Mocha Dick"