Text und Regie: Zeha Schröder - Dramaturgie: Jan-Christoph Tonigs - Mit: Annalena Brix, Frank Dukowski, Marcell Kaiser, Ursula Renneke, Helge Salnikau, Zeha Schröder, Irmhild Willenbrink und Anke Winterhoff - Ort: Mühlenhof Freilichtmuseum, Theo-Breider-Weg Dauer: ca. 80 Min. - Uraufführung: 15.06.2010
Keine Frage, es gibt sie, die zu Unrecht Vergessenen: Autoren, Geschichten, Stücke... Aber was für ein Glück, wenn einem gleich zwei solche Fische ins selbe Netz schwimmen. Wie in „Mühlensell“.
Denn unser komplexes Open-Air-Stück von 2010 speist sich aus zwei Quellen. Zum einen „Brigadoon“: ein Musical des Erfolgsduos Lerner/Loewe, das aber unter deren Welterfolgen (My fair lady, Gigi, American in Paris) verschütt und verschollen ging. Zum anderen: „Germelshausen“, eine Erzählung des deutschen Romantikers und Abenteurers Friedrich Gerstäcker - auch er nur noch ein Geheimtipp für Kenner.
Beide Geschichten handeln von einem (bzw. zwei) ahnungslosen Reisenden, der in ein verwunschenes Dorf gerät, das mitsamt seinen Bewohnern nur alle hundert Jahre zum Leben erweckt wird. Nur zu dumm, wenn man sich dann in die Dorfschönheit verliebt und keine 24 Stunden hat, um ein ziemlich großes Beziehungshindernis aus dem Weg zu räumen...
Die beiden Musicalmacher bedienen sich herzhaft bei der Vorlage des deutschen Kollegen. Wir haben den Spieß umgedreht und dem Bühnenstück etwas von der ursprünglichen Morbidität und Schauerstimmung zurückgegeben. „Mühlensell“ - in der Textfassung von Hausautor Zeha Schröder - ist nicht so kitschig überzuckert und gutmenschelnd sein wie die Broadwayproduktion, sondern melancholischer und mit einem Sinn für die Ecken und Kanten der Charaktere. Es kommt aber auch nicht so dezent verstaubt daher wie die 170 Jahre alte Erzählung, sondern modern, witzig und ironisch.
Außerdem wird das Stück von dem vielköpfigsten (und vielleicht auch vielseitigsten) Ensemble getragen, das wir jemals in einer Produktion versammeln konnten: Neben Publikumslieblingen wie Irmhild Willenbrink, Marcell Kaiser und Frank Dukowski bereichern die beiden charmanten Neuzugänge Anke Winterhoff und Helge „Siegfried“ Salnikau ebenso das Team wie die Berlinerin Ursula Renneke, die erstmal seit ihrem furiosen Auftritt in unserer ScienceFiction-Komödie „R.U.R.“ (2004) wieder bei F+G zu sehen ist. Es wird gespielt, gescherzt, gesungen und - erstmals! - sogar getanzt, bis an einen Dornröschenschlaf nicht mehr zu denken ist.
Bleibt die Frage nach dem Spielort. Wo sonst kann man ein verwunschenes Dorf aus vergangener Zeit auftauchen lassen - wenn nicht im Mühlenhof? Das Freilichtmuseum auf der Sonnenseite des Aasees ist wie geschaffen für den Stoff, und vom Torhaus über den Gräftenhof bis hin zum Mühlplatz bespielt die Inszenierung so ziemlich das komplette Gelände - was „Mühlensell“ außerdem noch zur raumgreifendsten F+G-Produktion seit unserem Bestehen gemacht hat.
Genug der Superlative. Seit Juni 2010 haben wir das Publikum ein knappes Dutzend Male zu diesem turbulenten Theaterstreich begrüßt - derzeit hoffen wir auf einen günstigen Zeitpunkt, um die vielen Beteiligten noch einmal unter einen Hut zu bekommen...