Text: Schröder/ Tonigs na. Originaldokumenten - Mit: Zeha Schröder - Regie: Jan-Christoph Tonigs - Ort: Güterbahnhof (Hafenstr. 64) - Dauer: 65 Min. - Uraufführung: 30.11.2005
Am 25. März 1996 beginnt die Katastrophe: ein Mann mittleren Alters, prominent, vermögend,
wird vor seiner Haustür überfallen, zusammengeschlagen und anschließend dreiunddreißig Tage lang in einem Kellerversteck gefangen gehalten. Erst nach knapp fünf Wochen und einem
zermürbenden Katz-und-Maus-Spiel, bei dem zu guter Letzt die Angehörigen hinter dem Rücken
der Polizei operieren, gelingt es, den Entführten durch Übergabe eines Lösegelds von 30
Millionen Mark frei zu bekommen.
Diese äußeren Fakten allein machen das Verbrechen zu einem der spektakulärsten Entführungsfälle der deutschen Kriminalgeschichte. Doch was anschließend passiert, ist mehr als ungewöhnlich: Um "eine mir aufgezwungene Intimität zu zerstören“, setzt sich der Entführte hin
und bringt seine Erlebnisse zu Papier, minutiös und schonungslos - vor allem sich selbst
gegenüber. Auf einem Reflexionsniveau, das angesichts der traumatischen Erfahrungen fast
schon unwahrscheinlich ist, analysiert er rückblickend seine Situaton, schildert detailliert und in einer glasklaren Sprache seine Gefühle und Gedanken - und legt damit ein Dokument vor, das in seiner Tiefe und seinem Erkenntniswert nach Meinung vieler Kritiker ohne Beispiel ist.
Freuynde + Gaesdte haben sich von Anfang an nicht nur um authentische Spielorte bemüht,
sondern immer wieder auch um authentische, wahre Geschichten. In gewissenhafter Rekonstruktion des (inneren wie äußeren) Geschehens, aber mit respektvollem Abstand zu dem bemerkenswerten Selbstzeugnis des Opfers, näherten sich Jan-Christoph Tonigs und Zeha Schröder in ihrer Bühnenadaption dem Stoff. Als Spielort dafür wählten sie einen Raum, der als potenzieller Kerker für einen Entführten ebenso prädestiniert wie beängstigend wäre: einen abgelegenen Kellerverschlag in der menschenleeren, verwaisten Güterbahnhofshalle an der Hafenstraße.
Jan-Christoph Tonigs, bewährtes Ensemblemitglied und zum Zeitpunkt der Uraufführung designierter Geschäftsführer des Theaters, gab mit dieser Inszenierung Ende 2005 seinen Einstand als F+G-Regisseur. Für Zeha Schröder, den bisherigen Leiter des Ensembles, war es die letzte große Rolle, bevor er im Frühjahr 06 an den Polarkreis auswanderte. Auf Anhieb gelang beiden ein starkes Dokudram, das quasi "von der Premiere weg" zum renommierten Dortmunder Theaterzwang eingeladen wurde.
Eine geglückte Staffelübergabe.