Textfassung: Ensemble - Regie: Frank Dukowski - Mit: Vera Molitor und Zeha Schröder - Ort: Burgturm, Davensberg - Dauer: ca. 60 Min. - Uraufführung: 14.06.2001
Kaspar Hauser bietet Anlass für Spekulationen. Für die einen verschleppter Prinz, für die anderen geschichtsloser Findling, ist er in Peter Handkes Stück Kaspar vor allem Projektionsfläche für Fragen prinzipieller Natur: Was geschieht bei der Zivilisierung einer Menschenkreatur? Wie und mit welchen Folgen bringt man jemandem Individualismus bei? Welche Rolle spielt Sprache, Sprechen dabei? - Handke: "Das Stück zeigt nicht, wie es wirklich ist oder wirklich war mit Kaspar Hauser. Es zeigt, was möglich ist mit jemandem."
Das erzieherische Pathos des fast 40 Jahre alten Textes hat einigen Staub angesetzt. Von beängstigender Aktualität ist jedoch der zivilisationskritische Ansatz. Was Handke an Kälte und Distanz am Horizont der Medien- und Wissensgesellschaft heraufziehen sieht, dürfte inzwischen großenteils Wirklichkeit sein. Ein Grund für F+G, dieses Protokoll einer Menschenzähmung im Jahr 2001 noch einmal genauer anzusehen.
Kontrastiert wird Handkes Dichtung dabei durch historische Berichte von und über Hauser und andere "wilde Kinder" wie auch Texte eines jungen Autisten. Was im Drama kritisch reflektiert wird, prallt in diesen Zeugnissen quasi ungefiltert aufeinander - hier die Irritation der Zeit- und Artgenossen über den Fremd-Körper, dort die tiefe Verstörung der Außenseiter, die in ihrem Selbst gefangen sind und doch nichts sehnlicher wünschen als - dazuzugehören: "Ich will kein Inmich mehr sein", wie es in einem der Texte heißt.
Den Kaspar spielte in der Inszenierung von F+G die seinerzeit 19 Jahre junge Schauspielerin Vera Molitor; ihr Gegenspieler: F+G-Kopf Zeha Schröder. Im Spannungsfeld der beiden Figuren ereignet sich ein Prozess der "zivilisatorischen Einübung", der streckenweise brutale, fast totalitäre Züge trägt. - Die Regie führte Frank Dukowski, der unserem Publikum bis dato vor allem als d'Artagnan in den "
Musketieren" bekannt war.
Als Spielort hatten wir uns für dieses Stück etwas Besonderes einfallen lassen: Ein historischer Bus, Baujahr 1954, brachte die Zuschauer vom Münsteraner Domplatz nach Davensberg, wo einer der schaurig-schönsten Burgtürme des Münsterlandes steht. Inklusive Folterkammer und 4 Meter tief unter der Erde gelegenem Verlies, das so trostlos und finster ist wie jenes, in dem Hauser die ersten sechzehn Jahre seines Lebens fristete...