Text und Regie: Zeha Schröder - Mit: Irmhild Willenbrink - Ort: Christoph-Dornier-Klinik - Dauer: ca. 60 min. - Uraufführung: 24.03.2009
Die Nachricht erschütterte vor rund zwei Jahren die Münstersche Öffentlichkeit: Eine Autofahrerin lenkte - „ungebremst“, wie es in den Meldungen hieß - ihren Wagen bei tiefstehender Sonne in eine vierköpfige Familie hinein; Vater und Mutter auf Fahrrädern, die beiden Töchter auf Inlinern. Die Mutter starb noch am Unfallort, eine der beiden Zwillingsschwestern am selben Abend im Krankenhaus, Vater und zweite Tochter wurden schwer verletzt.
So weit der tragische Hintergrund zu unserem nächsten Stück. Doch „Die Fahrerin“ hält pietätvollen Abstand zu den Geschehnissen. Rolle und Handlung sind in keiner Weise – sei es mit Hilfe von Interviews, Recherchen o.ä. - der „echten“ Fahrerin nachempfunden, und auch die geschilderten Details wie Namen, Daten usw. entsprechen nicht den Tatsachen. Worum es vielmehr geht, ist das (durch eine wahre Begebenheit inspirierte) Psychogramm eines Menschen, dessen Welt aus den Fugen gerät:
„Warum nicht der Wagen vor mir? Oder nach mir? Glauben Sie, die sind langsamer gefahren? Der hat mich doch sogar noch überholt! Aber, sehen Sie, dadurch ist er eben die halbe Minute früher da gewesen. Als die noch auf dem Radweg waren. Oder jedenfalls noch nicht in dem Loch, in dem Schatten, wo man sie nicht sehen konnte. Sonst hätte er sie auf dem Gewissen, nicht ich. Wieso ich?“
Die fiktive Unfallfahrerin ist eine ganz normale Frau mit einem ganz normalen Leben. Der Tag, der sie zur Totschlägerin macht, verändert alles. Ihr Leben gerät aus den Fugen – aber nur innerlich. Die äußere Fassade bleibt, so weit es irgend geht, gewahrt... „Die Fahrerin“ ist eine pseudo-dokumentarische Studie über Schuld und Sühne in einer psychologisierten Welt. Die Inszenierung zeichnet das Porträt einer Frau, deren Selbstbild einen tiefen Riss erleidet. Es fällt nicht schwer, sich die Protagonistin vor ihrer Unglücksfahrt als eine Frau vorzustellen, die mit sich und der Welt im Reinen ist, die sich für einen rechtschaffenen Menschen hält. Dieser Mensch, dieses Ich geht ihr verloren. Aber so sehr sie sich nach einem „metaphysischen Ausweg“ sehnt, nach Vergebung, Läuterung und Reue – so sehr ist ihr dieser Weg durch eine seltsam vertraut wirkende, küchenpsychologische Selbstreflexion versperrt.
Die Produktion folgt einer lange Tradition von F+G-Stücken, die dokumentarisches und fiktives Material wie in einem Mosaik zusammenfügen: „Hauser K.“ (2001), „33 Tage“ (2005), „Morbus Inês“ (2007) – um nur einige zu nennen. Und auch diesmal liegt der Fokus auf der Charakterzeichnung einer zentralen Figur – ohne Anspruch auf Authentizität, aber doch mit dem Anspruch auf Überzeugungskraft.
Und natürlich auf einen fesselnden Theaterabend. Dass hier erstmals eine Frauenfigur, eine "Täterin“ im Mittelpunkt des Interesses steht, gibt uns die Gelegenheit, Irmhild Willenbrink in ihrer lang erwarteten ersten Solorolle für F+G zu präsentieren.